TE-A 20

Der Ferguson TE 20, in Fachkreisen auch liebevoll "Little Grey Fergie" oder "Kleiner grauer Ferguson" genannt, ist auf deutschen Oldtimer-Traktorentreffen eher seltener anzutreffen. Weltweit gesehen ist der Ferguson TE 20 (TE ist die Abkürzung für Tractor England) mitsamt aller seiner Bauformen (TE-A, TE-D, TE-F, TE-H, usw.) einer der meistgebauten Traktoren! Zwischen 1946 und 1956 wurden im englischen Coventry mehr als 517.000 Exemplare gebaut. Haupt-Absatzmarkt war natürlich England, sowie Skandinavien, wo man heute noch diese Traktoren bei ihrer alltäglichen Arbeit antreffen kann. Sogar nach Amerika wurden die "Little Grey Fergies" geliefert, hier jedoch unter der Bezeichnung TO (für "Tractor Overseas"). Die wichtige Rolle, die der Ferguson TE 20 in der Motorisierung der weltweiten Landwirtschaft spielte, sowie der in einem Traktor unüblicherweise verbaute Benzinmotor sind die Gründe, warum der "Little Grey Fergie" an dieser Stelle etwas ausführlicher behandelt werden soll... 

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Da in England und in Skandinavien in der Nachkriegszeit und den 1950er Jahren für die Landwirtschaft Benzin subventioniert war, wurden als Folge die meisten Traktoren mit Benzinmotoren angeboten. So auch der Ferguson TE-A 20. Dieser Typ wurde hauptsächlich in Großbritannien und Skandinavien vertrieben, in Deutschland fast überhaupt nicht.

Mein Ferguson TE-A 20 ist (wie ca. die Hälfte der insgesamt über 517.000 gebauten TE 20) mit einem ca. 28 PS starken Vierzylinder-Viertakt-Benzinmotor ausgerüstet, welcher von der "Standard Motor Company"in großen Stückzahlen produziert wurde. Ursprünglich war er als Automotor konzipiert und wurde im "Standard Vanguard" und erstaunlicherweise auch im britischen Sportwagen "Morgan Plus 4" eingesetzt. Im Ferguson-Ackerschlepper verrichtete er leicht modifiziert seinen Dienst, da in der Landwirtschaft weniger sportliche Motorcharaktere zählen, als vielmehr Drehmoment, Wirtschaftlichkeit und Robustheit.

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 Dies stellt eine Besonderheit dar, denn zu dieser Zeit hätte der Großteil der deutschen Schlepperhersteller im Traum nicht daran gedacht, in einen so kleinen, kompakten Schlepper einen Vierzylinder-Motor einzubauen. Standard in der 20-25 PS-Klasse waren Zweizylindermotoren.

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Das faszinierende an dem Ferguson mit seinem 2,1 Liter großem Benzinmotor ist sein unglaublich ruhiger Motorlauf und die für unsere Breitengrade unübliche Technik und Erscheinung. Der Schlepper ist äußerst flach gehalten, als Fahrer sitzt man förmlich "in" dem Schlepper. Der "Fergie" hat kein Gaspedal, sondern lediglich  einen Handgashebel. Weiteres Merkmal waren die sehr schmalen, hohen Vorderräder der Größe 4.00-19". Die "kleinen grauen Fergusons" waren bereits mit einer Regelhydraulik ausgerüstet. Diese Hydraulik wurde bereits in den 1930er Jahren vom genialen Konstrukteur Harry Ferguson entwickelt und findet heute noch  in ähnlicher Art und Weise Verwendung.

Wann der Entschluß, mir einen Ferguson-Benziner zuzulegen, kam, kann ich nicht genau sagen. Als ich im April 2005 im Internet ein fahrbereites Exemplar zu einem akzeptablen Preis entdeckte, zögerte ich nicht lange und vereinbarte telefonisch ein Besichtigungs- und Probefahrttermin mit dem Besitzer. Gemeinsam mit meiner Freundin Claudia fuhr ich dann die 295 km mit dem freundlicherweise von meinem Arbeitgeber bereitgestelltem Abschleppwagen nach Schleswig-Holstein, um das begehrte Stück in Augenschein zu nehmen. Der Zustand präsentierte sich im Nachhinein besser als erwartet. Nach einer ausgiebigen Probefahrt auf der angrenzenden Weide, bei der alle Funktionen getestet wurden, entschloß ich mich zuzuschlagen.

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 Natürlich müssen, um den kleinen, urigen Schlepper auf öffentlichen Straßen bewegen zu können, noch einige Arbeiten erledigt werden. Zum Beispiel besitzt der "Fergie" -abgesehen von zwei Scheinwerfern- keinerlei Licht- geschweige Blinkanlage. Mittlerweile besitzt der Ferguson schon eine Reihe neuer Verschleißteile, wie zum Beispiel einen neuen Unterbrecherkontakt, einen neuen Ölfilter, vier neue Zündkerzen, einen neuen Keilriemen sowie einen neuen Kühlerschlauch. Auch die Vorderreifen, die sich in einem desolaten Zustand befanden, wurden bereits gegen neue ersetzt. Ein recht teurer Spaß, denn die Reifengröße 4.00-19" ist hierzulande eher ungebräuchlich. 

Wenn man sich einen alten, unrestaurierten Traktor zulegt, so sollte man als allererstes sämtliche technische Gegebenheiten kontrollieren, um nicht z.B. das Risiko eines verheerenden Motorschadens einzugehen. Aus diesem Grund kontrollierte ich routinemäßig das Ventilspiel. Nach dem Abnehmen des Ventildeckels (Vorher muß jedoch der Tank abgenommen werden) zeigte sich beim dritten Zylinder ein kleiner aber unter Umständen "tödlicher" Schaden: Die Ventilfeder des Einlaßventils war gebrochen (siehe Bild! -zum Vergrößern bitte anklicken-) und klemmte zusammen mit dem abgebrochenem Stück schief zwischen Zylinderkopf und Ventilfederteller. Hätte ich nicht das Ventilspiel kontrollieren wollen, so würde ich wahrscheinlich heute noch mit der gebrochenen Ventilfeder munter durch die Gegend fahren. Wie lange der TE-A wohl schon diesen Schaden hat... Eine Woche? Ein Jahr? Zehn Jahre?   

Als erstes mußte jetzt eine passende, brauchbare Ventilfeder her. Der einschlägig bekannte Ferguson- Ersatzteilhändler, Hartmut Lindner aus Klein Gerau (von dem ich mir auch schon annähernd sämtliche bisher verbauten Ersatzteile habe zuschicken lassen), hatte Gott-sei-Dank eine solche Ventilfeder als gebrauchtes Originalteil am Lager. Drei Tage später kam das Päckchen (mit einer neuen Ventildeckeldichtung) bei mir an.

Es galt nun, unter allen Umständen die Ventilfeder ohne Abnehmen des Zylinderkopfes auszutauschen, da der Motor ansonsten wunderbar lief und ein Abnehmen des Zylinderkopfes einen erheblichen Arbeitsaufwand bedeuten würde. Hierzu mußte unbedingt verhindert werden, daß das Einlaßventil während des Tauschvorgangs in den Brennraum fällt. Dies bewerkstelligten wir durch den Einsatz eines eigens angefertigten "Spezialwerkzeuges", mit dem -durch die Zündkerzenbohrung hindurch- das Ventil von unten vor dem Abrutschen in den Brennraum gesichert wurde. 

Die "Notoperation" verlief ohne Komplikationen, motortechnisch sollte der Ferguson nun wieder vollkommen alltagstauglich sein. Für die nötige Feinabstimmung sorgte eine neu durchgeführte Grundeinstellung samt Neuabdichtung des Zenith 28G- Vergasers, sowie eine Justierung des Drehzahlreglers. Da ich die Gelegenheit hatte, mit Hilfe eines speziellen Testgeräts die Kompression des Motors zu prüfen, führte ich diesen Test im Rahmen der Ventilfeder-Reparatur gleich mit durch. Abgesehen von Zylinder Nr. 2 liegt der durchschnittliche Kompressionsdruck bei ca. sieben bar, was für einen 50 Jahre alten Benzinmotor ein guter Wert ist.

Zylinder Nr. 2 baut ca. 0,75 bar weniger Kompression auf (siehe Diagramm -zum Vergrößern bitte anklicken-) , was mich allerdings nicht beunruhigt, da dieser kleine Unterschied sich scheinbar nicht auf den Motorlauf auswirkt. Um diese Differenz zu überprüfen, müßte der Zylinderkopf abgenommen werden. Eine eventuelle Verbesserung der Kompression im zweiten Zylinder würde den betriebenen Aufwand nicht rechtfertigen.   

Viel wichtiger erschien mir die Nachrüstung eines Anhängerzugmauls. Auf den Hauptabsatzmärkten des Fergusons bevorzugten seinerzeit die Landwirte einachsige Anhänger mit der sogenannten "Hitch"-Kupplung, welche auf einem Kupplungshaken ("Hitch-Haken") tief unterhalb der Hinterachse gelenkig gelagert waren. Dieses System besaß den Vorteil, daß durch die geschickte Lastverteilung gigantische Zugleistungen vollbracht werden konnten. Der Nachteil war, daß die in Deutschland weit verbreiteten zweiachsigen Anhänger damit nicht kompatibel waren. Zu diesem Zweck wurden eigens die in Deutschland vertriebenen TE- Fergies vom Hersteller mit "klassischen" Zugmäulern nachgerüstet. Dadurch wurde das geniale, von Harry Ferguson in 20 Jahren erdachte Prinzip der zugkraftsteigernden Lastverteilung natürlich "mit Füßen getreten", aber der deutsche Markt war zu Beginn der 1950er Jahre für solch bahnbrechende Erfindungen scheinbar noch nicht bereit. 

      

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Ein solches originales Zugmaul heutzutage aufzutreiben, um einen "Little Grey Fergie" damit nachzurüsten, stellte sich nach langer Suche als nahezu unmöglich dar.  Es stellte sich nach vielen, gezielten Besuchen von Oldtimer-Schlepper-Treffen heraus, daß sehr viele Fergusons mit oft grausig schlecht "zusammengebrutzelten" Eigenbaukonstruktionen ausgestattet wurden. Was sollte ich tun? Ich wollte ja am liebsten ein originales Zugmaul, aber woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Durch Zufall fiel mir auf dem elterlichen Bauernhof meiner Freundin auf, daß der dort seit nunmehr fast vierzig Jahren treu dienende MF 135 annähernd das gleiche Getriebegehäuse wie mein TE-A besaß. Sogar die Oberlenkeraufnahmen auf der Rückseite wiesen die gleichen Lochabstände auf. Und... hier war seit je her ein Zugmaul verbaut!  Zwar weicht dieses Zugmaul leicht vom Originaldesign des TE ab, jedoch ist es einfacher nachzurüsten und in weiteren Sinne ja auch original, da ja ebenfalls von Massey-Ferguson. Aber auch die regionale Suche nach einer ausrangierten Anhängekupplung eines MF 135 gestaltete sich schwierig. Offensichtlich war ich nicht der einzige Fergy-Besitzer mit diesem Problem... 

           

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Quasi als letzte Hoffnung schaltete ich eine Annonce in der bekannten Fachzeitschrift "SchlepperPost", in der ich nach einem solchen Zugmaul für einen MF 135 suchte. Geschlagene zwei Wochen rührte sich gar nichts, als dann schließlich doch eines Abends das Telefon klingelte. Ein freundlich klingender Herr mit urbayrischem Dialekt gab mir zu verstehen, daß er gerade einen solchen MF 135 aufgrund eines irreparablen Motorschadens ausschlachtete, und ich das übriggebliebene Zugmaul haben könne. Wir wurden uns schnell über den Kaufpreis einig, und es verging keine Woche, da wuchtete der unter der Last stöhnende Postbote das schwere Paket in den Hausflur. Abgesehen von einem etwas unterschiedlichen Durchmesser des zentralen Befestigungsbolzens passte die Kupplung auf Anhieb. Ein voller Erfolg! Bei nächstmöglicher Gelegenheit soll nun geprüft werden, wie der Ferguson als "Gespannfahrzeug" zu bewegen ist.  

An diesem Punkt war die technische Überholung des "englischen Patienten" abgeschlossen, die endgültige optische Restaurierung begann dann im September 2006 und nahm fast ein ganzes Jahr in Anspruch. 

Hier das Endergebnis als Vorgeschmack auf den Restaurierungsbericht, den Sie ausführlich und mit vielen Detailbilder nachlesen können, wenn Sie auf das Bild klicken. Viel Spaß!